Stockum und Düren sind zwei Ortsteile der Stadt Witten im Ennepe-Ruhr-Kreis. Da Düren aber ein recht kleiner Ort ist und seine Geschichte eng mit der Stockums verbunden ist, werden beide oft unter dem Namen Stockum zusammengefasst. So durfte 1877 auf Dürener Gebiet ein Bahnhof für Stockum gebaut werden, und seitdem bildet ein Teil der Bahnlinie Langendreer - Löttringhausen die Westgrenze Dürens.

Im Volksmund wird die Strecke bis heute „Rheinischer Esel“ genannt

Die damalige „Rheinische Eisenbahngesellschaft“, später Betreiber der Bahnlinie, baute 1880 die Strecke Langendreer – Löttringhausen, die bereits am 9. Juni 1873 durch die „Preußische Konzession“ genehmigt worden war. Die neue Trasse wurde als Konkurrenzlinie zur parallel verlaufenden Strecke der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft angesehen. Der Start der Personenbeförderung erfolgte mit der Betriebsaufnahme am 15. Dezember 1880. Im Volksmund hieß die Bahn „Rheinischer Esel“.

Der Bahnhof Stockum wurde bereits 1877 von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft auf dem ehemaligen Gelände des Hofes Kreikmann errichtet. Das Gehöft – ein ganz alter Bauernhof - musste der Trassenführung und dem Bahnhof Stockum weichen. Vermutlich wurde der Hof um 1875 wegen des Bahnbaus abgerissen. Die Höfe Schulte-Steinberg und Wegemann verloren erheblich an Fläche, während der Hof Düren kaum Land einbüßte.

 


Der Bahnhof Witten-Stockum um 1922 mit Kohlenwagen für die Zeche Constanze, die bei Bedarf abgerufen wurden. Die Schornsteine im Hintergrund gehörten zur Stockumer Dampfziegelei, die von 1897 - 1922 in Betrieb war. Diese Ziegelei befand sich an der Bismarkstraße 33 – heute Bebbelsdorf 105.

Foto: Archiv Heimatfreunde Stockum/Düren

Durch den Bau der Eisenbahnlinien in den 1860er und 1870er Jahren hatten die Fuhrleute natürlich starke Einkommenseinbußen. Aus Protest hatten sie folgenden Spruch auf ihren Pfeifenkopf:

„Wer hat den Dampf erdacht und uns Fuhrleut‘ um das Brot gebracht?
Was fang ich armer Fuhrmann an? – Der Teufel hol‘ die Eisenbahn.“

Auf der insgesamt 13,4 km langen Strecke wurden große Mengen von Gütern transportiert. So stieg auch die Bedeutung des Bahnhofs Stockum. Durch die aufkommende Industrialisierung hatte der Bahnhof Stockum einen großen Stückgutumschlag. Ein großer 20-Tonnen-Kran war für schwere Güter vorhanden.

Der Sieben-Planeten-Express brachte die Bergleute zur Zeche

Viele Bergleute und Hüttenarbeiter benutzten diese Strecke und nannten diese Linie auch „Sieben-Planeten-Express“, da sie die Bergleute zur Zeche brachte. Die Bauern verluden hier große Mengen von Zuckerrüben, Kartoffeln und Getreide sowie Dünger und Vieh.


Der Kartoffelbahnhof, so wurde der Bahnhof Witten-Ost auch genannt. Die Bauern verluden hier aber auch große Mengen von Zuckerrüben, Getreide, Dünger und Vieh, was der Bahn den Namen eines geduldigen Esels einbrachte. Die Marktfrauen transportierten seinerzeit ihre landwirtschaftlichen Produkte mit der Bahn zu den Märkten.

Im Laufe der Jahre entstand eine Reihe von Anschlussgleisen am Stockumer Bahnhof: Die Zeche „Vereinigte Walfisch“ (später Franziska/Düren) und die „Stockumer Dampfziegelei“ (später Blankstahlwerk Geissler) besaßen Anschlussgleise für den Transport von Steinkohle, Ziegeln und Stahlerzeugnissen. Es gab außerdem Bahnverbindungen zur Zeche Constanze/Langendreer, im Volksmund Zeche Reibekuchen genannt, und zum Kalksteinwerk (Landgrube genannt - vermutlich beim Gut Schulte-Steinberg).

Nach einer Karte (Messtischblatt von 1926) hat es auch ein sogenanntes  Pulvergleis gegeben, auf dem die Pulverwagen abgestellt wurden. Möglicherweise gab es auch einen Gleisanschluss an die Pulverkammern im Steinberg. Auf der Karte sind noch aufgeschüttete Wälle zum Schutz vor evtl. auftretenden Explosionen zu erkennen.

Nach 99 Jahren den Personenverkehr eingestellt

Fast ein Jahrhundert lang hatte auf der Bahnstrecke eine rege Personenbeförderung stattgefunden. Bis zum 1.Weltkrieg konnte man für fünf Pfennig von Stockum nach Witten fahren. Für die Personenbeförderung fuhr achtmal am Tag ein Zug in beide Richtungen. Im Laufe der Zeit ließ aber die Anzahl der zu befördernden Personen nach, so dass später der Personentransport von einem Schienenbus bewältigt werden konnte. Nach 99 Jahren, am 30. November 1979, wurde der Personenverkehr auf dieser Strecke ganz eingestellt


Die Bahnstrecke (Bochum)-Langendreer - (Dortmund)-Löttringhausen wurde 1877 durch die damalige Rheinische Eisenbahn erbaut. Die insgesamt 13,4 km lange Strecke hatte große Bedeutung für den Güter- und Personenverkehr, und auch die aufkommende Industrialisierung brachte dem Bahnhof einen großen Stückgutumsatz. Das Foto von Davide Bentivoglio zeigt die Gleisanlagen in Witten-Annen in den letzten Betriebstagen. Die Betriebsanlagen im Hintergrund gehörten zur ehemaligen Holzhandlung Klingelhöfer.

Auch der Stückgutverkehr ging zurück und wurde ab 1962 vom Bahnhof Witten-Ost abgewickelt. Das Stockumer Bahnhofsgebäude wurde danach abgebrochen. Von nun an fuhr zweimal am Tag ein Güterzug von Bochum-Langendreer nach Witten-Ost, der dann die Firmen Geißler und Fischer anfuhr.

Am 30. November 1982 wurde die Teilstrecke zwischen den Bahnhöfen Löttringhausen und Witten-Ost durch die Deutsche Bundesbahn komplett stillgelegt. Am 16. März 1985 befuhr ein vollbesetzter Triebwagenzug mit zwei Wagen der „Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte“ diese Strecke als letzte historische Fahrt von Witten-Ost nach Bochum-Langendreer. Auch ein Fotostopp in Stockum wurde eingelegt.

Der Güterverkehr zwischen Witten-Stockum und Witten-Ost wurde am 31. Dezember 2001 und auf dem letzten genutzten Teilstück zwischen Witten-Stockum und Bochum-Langendreer am 31. Dezember 2004 eingestellt.


Nach dem Abbau der Gleisanlagen des Rheinischen Esel dient die Trasse heute als Rad- und Wanderweg. An die ursprüngliche Nutzung erinnern eine Schlüsselweiche am ehemaligen Bahnhof Stockum sowie erhaltene Bahnsteige und verschiedene Signale und Schilder.

Die Strecke Langendreer - Witten-Ost, zwischenzeitlich von Bäumen und Sträuchern überwuchert, wurde in den Jahren 2010 und 2011 saniert. Büsche wurden entfernt, umgestürzte Bäume beseitigt, die Gleise aufgenommen, der Schotter aufgearbeitet. Es entstand ein Rad- und Wanderweg, der heute noch durch seinen Namen „Rheinischer Esel“ an die ursprüngliche Nutzung der Trasse erinnert.

Karoline Robbert